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Mühlau vor 150 Jahren

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letzten Reste der eiszeitlichen Endmoräne gewesen. Und die erwähnte Anhöhe ist vermutlich die oft fälschlich "Hussitenberg" genannte Höhe 343,9. Im Sinne dieses Flurbuches ist der ebenfalls oft ausgesprochene Name "Wustgenberg" richtiger. Alte Dorfbewohner können sich noch entsinnen, wie diese "Feldsteine und große Wacken" mit vereinten Kräften, oft auch nur spaßeshalber als Kraftprobe, in eine dort befindliche Senkung gewälzt wurden, die heute fast ganz ausgefüllt ist.

§ 10

"In der ganzen Flur ist eine einzige Schlucht auf der Winterseite, die mit dem Namen Wiese benennt zu werden verdienet und zweyhauigt ist; aber auch keinen großen Raum und Flächen deshalb einnimmt. Die übrigen sogenannten Wiesen sind leere Holzflecke oder wüßte Plätze und Angewende zwischen den Feldern, welche letztere vorzüglich nicht einmal als Graseplätze betrachtet werden können, weil solche, den anliegenden Feldern den Abzug von Wasser zu verschaffen, von Zeit zu Zeit ausgegraben und der Erdboden auf die Felder geworfen und gefahren wird."

§ 11

"So wenig Wiesen vorhanden, so wenig findet sich Holz in der Flur, und selbst die von einigen auswärts besitzenden Stücke in den Tännicht und in der Elsing (s. oben!) sind niedergetrieben. Die wenigen Gebüsche in der Flur aber
stehen nicht nur wegen des schlechten Bodens einzeln, dürftig und unwüchsig, sondern werden auch noch durch die Schaafe abgefressen."

In noch weiter zurückliegenden Zeiten sollen im Tännicht gewaltige Bäume gestanden haben, ein willkommener Holzlieferant für alle die umliegenden Bewohner; denn ein anderes Feuerungsmittel gab es damals bei uns noch nicht. Daß natürlich dieses Holzholen nicht immer in den Grenzen des Erlaubten blieb, das läßt sich denken. Eine lustige Geschichte erzählt davon:

Es gab eine besonders hohe Tanne, die, im weiten Umkreis sichtbar, der Tannenkönig genannt wurde. In einer finsteren, stürmischen Winternacht stiegen der "Straßen Vid" und sein Freund, einen Schlitten mit Aexten hinter sich herziehend, durch den tiefen Schnee hinaus zu dem Tannenkönig. Bitterkalt waren die letzten Wochen gewesen und die Feuerung war knapp geworden. Mit Geld waren die meisten Mühlauer auch nicht gesegnet, und so hielten sie sich an das Wort: Hilf dir selbst, so hilft dir der liebe Gott. Große, dicke Haarschuhe trugen sie an den Füßen, die wurden ausgezogen, als sie beim Tannenkönig angekommen waren. Eine Axt wurde dem Baume an die Wurzel gelegt, die andere schlug mit Wucht darauf. Den Schall dämpften die dazwischengehaltenen Haarschuhe. Eifrig arbeiteten die Männer, bis der Baum stürzte. Schnell waren die beiden Männer in ein Versteck gesprungen, um abzuwarten, was geschieht. Aber entweder war in dieser Sturmnacht überhaupt nichts von dem Krachen gehört